Nicht „wir alle“ haben Corona unterschätzt, sondern die Regierung – Versäumnisse beheben, Krise sozial abfedern und „Runden Tisch Corona“ schaffen!

Der Vor­sitzende der Frak­tion DIE LINKE im Säch­sis­chen Land­tag, Rico Geb­hardt, und die gesund­heit­spoli­tis­che Sprecherin Susanne Schaper, erk­lären gemein­sam mit dem weit­eren Vor­sitzen­den der säch­sis­chen LINKEN, Ste­fan Hart­mann:

„Nein, Herr Kretschmer – nicht ‚wir alle‘ haben ‚miteinan­der‘ das Virus unter­schätzt. Sie haben sich lange nach­sichtig gegenüber der beträchtlichen Min­der­heit in unser­er Gesellschaft gezeigt, die auf den Infek­tion­ss­chutz pfeift. Sie haben Infek­tion­ss­chutz-Geg­n­ern in Gesprächen Ihre Aufwartung gemacht. Ihre Regierung war es, Herr Kretschmer, die über die Som­mer­monate wichtige Vor­sorge­maß­nah­men unter­lassen hat. Es waren Regierun­gen unter Führung der CDU, die schon lange vor der Pan­demie die Gesund­heit­sämter und weit­eren Zweige des öffentlichen Gesund­heits­di­en­stes sturm­reif gekürzt haben. Es waren Regierun­gen unter Führung der CDU, die Pri­vatisierung und Gewin­ndruck im Gesund­heitswe­sen zuge­lassen und befördert haben.

Kretschmers Ver­suche, seine Ver­ant­wor­tung auf alle Schul­tern zu verteilen und sich so zu ent­las­ten, sind durch­sichtig. Man kann nicht auf die Mitar­beit des Par­la­ments pfeifen, in Eigen­regie han­deln und gle­ichzeit­ig die Ver­ant­wor­tung von sich weisen. Die Staat­sregierung hat einen gehöri­gen Anteil daran, dass die Lage heute so drama­tisch ist und ein har­ter Lock­down dro­ht, wenn die Kranken­häuser weit­er vol­l­laufen. Die große Mehrheit der Sächsin­nen und Sach­sen ver­hält sich dankenswert­er­weise vernün­ftig, muss aber trotz­dem darunter lei­den, dass härtere Eindäm­mungs­maß­nah­men notwendig sind. Unter län­geren oder härteren Ein­schränkun­gen lei­den aber diejeni­gen beson­ders stark, die sich an die gel­tenden Regeln hal­ten oder beson­ders von ihnen betrof­fen sind. Lei­der scheinen einige Men­schen die Dra­matik der Lage erst durch tragis­che Fälle im eige­nen Umfeld zu erken­nen – wenn sie im Fam­i­lien- oder Bekan­ntenkreis einen schw­eren Erkrankungs­fall oder gar einen Todes­fall bekla­gen müssen. Inzwis­chen sind in Sach­sen mehr als 1.000 Men­schen wegen ein­er Coro­na-Infek­tion ver­stor­ben, und kein einziger dieser Fälle ist hin­nehm­bar. Die Gefahr ist groß, dass noch viele weit­ere dazukom­men.

Was hätte die Staat­sregierung nicht alles längst klären kön­nen, anstatt im Som­mer falsche Hoff­nung auf schnelle Nor­mal­ität zu machen! Warum kom­men die Schnell­tests erst heute langsam dort an, wo sie hinge­hören? Warum ist nicht längst gek­lärt, wer sie vorn­immt? Warum bekom­men viele Kranken­häuser immer noch finanzielle Schwierigkeit­en, wenn sie geplante Oper­a­tio­nen ver­schieben müssen? Warum gibt es immer noch kein ein­heitlich­es Vorge­hen bei der Erfas­sung der Fal­lzahlen? Warum wer­den Zahlen zu Infizierten und Ver­stor­be­nen immer noch nicht über­all für jede Kom­mune aus­gewiesen? Warum gibt es immer noch kein Sofort­pro­gramm für Lüf­tungssys­teme in Schulen und Kitas? Warum sollen erst jet­zt Reise­busse den Schülerverkehr ver­stärken? Warum wer­den immer noch Men­schen massen­haft in Asy­lun­terkün­ften unterge­bracht? Warum sind immer noch keine Kon­trollen der Hygien­eregeln in der Wirtschaft in Sicht, son­dern nur Appelle? Warum beträgt das Kurzarbeit­ergeld immer noch nicht 90 Prozent, warum bekom­men Solo-Selb­ständi­ge immer noch kein befris­tetes Grun­deinkom­men von 1.180 Euro? Warum gibt es noch immer keinen Par­la­mentsvor­be­halt bei Grun­drecht­se­in­grif­f­en, son­dern nur eine Beteili­gungssim­u­la­tion?

Wir unter­stützen die Staat­sregierung beim Seuchen­schutz, aber nicht bedin­gungs­los. Wir haben Forderun­gen: Die Ver­säum­nisse der let­zten Monate müssen behoben wer­den, soweit das noch möglich ist. Infek­tion­ss­chutz-Maß­nah­men müssen stets ziel­gerichtet und nachvol­lziehbar sein.

Wir pochen zudem darauf, dass die Krisen­las­ten sozial abgefed­ert wer­den. Für Novem­ber und Dezem­ber sind 30 Mil­liar­den an Lock­down-Kosten ver­an­schlagt, der Bund wird 2021 wohl weniger Unter­stützung gewähren. Wir machen uns deshalb weit­er auf härteste Ver­hand­lun­gen zum Lan­deshaushalt gefasst. Wir war­nen davor, die Kosten wieder bei denen abzu­laden, die wenig Geld haben. Das wäre auch die Folge von Kürzun­gen bei Sozialem, Bil­dung oder Kul­tur, die trotz aller vorge­blich­er Kenia-Har­monie weit­er­hin dro­hen. Das Dog­ma, notwendi­ge Kred­ite seien Teufel­szeug für den Staat­shaushalt, muss endlich fall­en. Mit neuen Kred­iten kann der Staat derzeit sog­ar Geld ver­di­enen! Wir fordern außer­dem eine Coro­na-Ver­mö­gens­ab­gabe auf das Pri­vatver­mö­gen jen­er Men­schen, die das reich­ste Prozent unser­er Gesellschaft bilden. Diese Men­schen besitzen mehr als ein Drit­tel des Gesamtver­mö­gens. Das kön­nen sie nicht selb­st erar­beit­et haben. Wer sich in den fet­ten Jahren die Taschen auf Kosten der Mehrheit voll­macht, muss in Krisen­zeit­en seinen Beitrag zur Abmilderung der Fol­gen leis­ten.

Auch auf der Lan­desebene muss die Regierung ein­er­seits ihre Pläne für die massen­haften Coro­na-Schutz­imp­fun­gen offen­le­gen und den Land­tag ein­binden. Das Par­la­ment muss auch in Pan­demiezeit­en der Ort der Entschei­dun­gen über Maß­nah­men ein, die uns alle betr­e­f­fen. So lassen sich Debat­ten und Kon­flik­te im Zusam­men­hang mit dieser gesellschaftlichen Kraftanstren­gung ver­mei­den.

Ander­er­seits sollte die Staat­sregierung sofort einen ständi­gen ‚Run­den Tisch Coro­na‘ ins Leben rufen, im Rah­men des Möglichen auch dig­i­tal. An ihm sollen aber nicht Leute sitzen, die unser aller Infek­tion­ss­chutz-Bemühun­gen tor­pedieren, son­dern diejeni­gen, die von den Maß­nah­men betrof­fen sind und bei deren best­möglich­er Aus­gestal­tung mitre­den kön­nen: beispiel­sweise Wohlfahrtsver­bände, Handw­erk­skam­mern, Gew­erkschaften, Jugend­vertre­tun­gen, Wirtschaftsver­bände, Gle­ich­stel­lung­spro­jek­te und zivilge­sellschaftliche Organ­i­sa­tio­nen, etwa aus der Kul­tur.“

Pressemit­teilung bei Links­frak­tion Sach­sen